»Rezyklat-Verpackungen sollten im Non-Food-Bereich Standard sein«
Im Dialog mit Jens Stadter, CEO der Jokey Group
Jokey gilt in der Verpackungsbranche als Pionier für nachhaltige Verpackungen. Die Expertise im Kunststoffspritzguss basiert auf über 50-jähriger Forschung, Entwicklung und Erfahrung. Das Jokey Eco Concept erfüllt die hohen Ansprüche an Kreislauffähigkeit, Funktionalität und nachhaltiges Design. Jens Stadter, CEO der Jokey Group, erklärt im Interview, wie damit die Circular Economy vorangetrieben werden kann und warum Grau das neue Grün ist.
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Oftmals werden Plastik und Nachhaltigkeit als Gegenpole verstanden. Was antworten Sie auf die Kritik, dass Kunststoffverarbeiter Umweltsünder sind?
Kunststoff und Nachhaltigkeit sind aus unserer Sicht kein Widerspruch. Wie beides zusammenkommt, zeigt das Jokey Eco Concept. Es enthält unser Nachhaltigkeitsprogramm, weist den Weg zur klimaneutralen Verpackung und beschreibt auch, wo wir bereits heute Produktverantwortung weit über die Herstellung hinaus übernehmen.
Als einer der führenden Hersteller von Kunststoffverpackungen mit 15 Standorten in 12 Ländern sehen wir uns in einer besonderen Verantwortung. Wie auch andere Kunststoffverarbeiter stehen wir in einer kritischen öffentlichen Wahrnehmung. Doch Kunststoff einfach als umweltschädlich zu brandmarken, wird weder dem Thema noch dem vielseitigen Werkstoff gerecht. Kunststoffverpackungen leisten unverzichtbare Dienste, um eine wachsende Weltbevölkerung zuverlässig zu versorgen. Selbstverständlich gehören Verpackungen nach Gebrauch weder in die Umwelt noch in die Weltmeere. Hier stehen alle entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Verantwortung – nicht nur die Kunststoffverarbeiter.
Wir setzen uns wo immer möglich dafür ein, dass Verpackungen in den Wertstoffkreislauf zurückkehren – und zwar überall auf der Welt. Mit unserer Expertise versuchen wir, mit Sachargumenten und gesicherten Fakten eine differenzierte Diskussion anzuregen. Denn Kunststoff ist eine wertvolle Ressource – ein achtsamer Umgang ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
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Verpackungen mit Rezyklatanteil aus dem Gelben Sack gehören bei Jokey schon lange ins Programm, wurden bisher aber wenig nachgefragt. Werden Ihnen die Farbeimer mit Recyclinganteil nun aus den Händen gerissen?
So weit sind wir leider noch nicht, aber das Thema hat deutlich Fahrt aufgenommen. Tatsächlich hat Jokey Verpackungen aus Post-Consumer-Rezyklaten, PCR, die aus haushaltsnahen Sammlungen stammen, seit 1991 im Programm. Schon damals hätten wir unsere Kunden gerne davon überzeugt, dass Farben, Baustoffe, Chemie und andere Non-Food-Produkte in Rezyklat-Eimern genauso sicher und gut verpackt sind wie in Neukunststoffen. Leider wurde das vor 30 Jahren noch nicht so angenommen. Sonst könnte die Kreislaufwirtschaft schon viel weiter sein. Wir treiben das Thema im Gespräch mit Kunden, Partnern und Branchenverbänden kontinuierlich voran, übrigens auch durch gezielte Rezyklat-Kampagnen wie »Grau ist das neue Grün«.
Erfreulicherweise wird unsere Produktion immer grauer! Unsere Non-Food-Kunden signalisieren mit dem Einsatz von Rezyklat-Eimern, dass sie ihre Nachhaltigkeitsstrategie konsequent verfolgen. Nicht zuletzt die Fridays-for-Future-Bewegung hat das ökologische Bewusstsein in der Gesellschaft deutlich gestärkt. Viele unserer Kunden bieten umweltfreundliche Produkte an und finden bei uns Verpackungslösungen, die ihrem Nachhaltigkeitsanspruch, aber auch dem ihrer Endkunden, bestens gerecht werden. Sie stärken mit dem Einsatz von Rezyklat-Verpackungen nicht nur die Kreislaufwirtschaft, sondern auch ihr grünes Image.
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Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Stellschrauben, um den Einsatz von Recyclingmaterial zu erhöhen?
Produkttechnisch können wir eine PCR-Einsatzquote bei unseren Eimern und gespritzten Hohlkörper jederzeit umsetzen – je nach Anforderung zwischen 30 und 80 %. Technisch sind auch Materialrezepturen mit bis zu 100 % Rezyklat möglich. Allerdings liegt das Qualitätsdefizit der PCR aus dem Inputstrom der Dualen Systeme im Vergleich zu Neukunststoffen bei etwa 10 bis 15 %, wir gleichen das in der Regel mit unseren eigenen Post-Industrial-Rezyklaten, PIR, aus.
Eine wichtige Stellschraube ist gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Wir brauchen Vorreiter, die mit dem Einsatz von Rezyklat-Gebinden zeigen, dass sie Verpackungsverantwortung übernehmen. Noch immer handeln zu wenige Entscheider aus dem Verantwortungsbewusstsein, einen ökologischen Beitrag leisten zu müssen. Rezyklat-Verpackungen müssen als attraktiv und sinnhaftig wahrgenommen werden. Das gilt für Hersteller und Endverbraucher.
Und dann gibt es noch die Lenkungsinstrumente der Politik. Die deutsche und europäische Politik betont auch die Notwendigkeit eines verstärkten Rezyklateinsatzes zur Förderung der Circular Economy. Allerdings könnte eine gesetzliche PCR-Quote zu Marktverzerrungen führen oder zu Materialentwicklungen, die unter ökologischen und qualitativen Gesichtspunkten eher kritisch zu sehen sind. Deshalb favorisieren wir Bonussysteme wie etwa steuerliche Anreize oder eine CO2-Einpreisung, die Unternehmen in ihrem ideellen Engagement unterstützen und so die Substituierung von Neuwarekunststoffen durch Sekundärrohstoffe beschleunigen könnten.
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Woher gewinnen Sie das verwendete Recyclingmaterial?
Als Rezyklatrohstoffe setzen wir Post Consumer Rezyklate (PCR) aus haushaltsnahen und gewerblichen Wertstoffsammlungen wie zum Beispiel der Gelben Tonne oder Abfallströmen aus Handwerk und Gastronomie ein. Bevor sie in die Produktion gehen, durchlaufen sie im Rahmen unseres Qualitätsmanagements strengen Labortests. Natürlich wächst der Markt für PCR in dem Maße, in dem Rezyklate für Verpackungen und andere Kunststoffprodukte eingesetzt werden. Aber damit geht auch eine Qualitätssteigerung einher.
Neben den Post-Consumer-Rezyklaten verwenden wir selbstverständlich auch alle eigenen Produktionsabfälle und kombinieren diese mit unseren PCR-Rezepturen. Diese fließen übrigens seit unseren Anfängen wieder vollständig in den eigenen Rohstoffkreislauf zurück. Daneben setzen wir punktuell noch besondere Rezyklate wie Ocean Based Recycled Plastics (OBRP) ein. Jokey ist Partner der Initiative Waste Free Oceans und entwickelt auch Verpackungen mit Anteilen aus hochwertigen OBRP. Sie entstammen Post-Use-Inputströmen der maritimen Industrie.
Die Rücknahme von alten Fischernetzen oder starren Kunststoffabfällen verhindert, dass diese wild im Meer entsorgt werden. Solche meerblauen Gebinde mit 25 % OBRP und 75 % PCR haben wir erstmals 2019 produziert und sie mit dem aufgedruckten Appell „Keep nature clean“ versehen. Wir haben diese RAL-zertifizierten Verpackungseimer als Müllsammelgefäße an Schulen eingesetzt. Und einer unserer Kunden, ein großer Farbenhersteller, bietet seine umweltfreundlichen Innenraumfarben in Gebinden aus 50 % PCR und 25 % OBRP an.
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Rezyklat-Verpackungslösungen aus dem mechanischen Recycling sind derzeitig nur für den Non-Food-Bereich einsetzbar. Wann werden wird diese auch bei Lebensmittelverpackungen sehen?
Was Produkte mit Lebensmittelkontakt anbetrifft: kein einfaches Terrain. Aber wir sind auf dem Weg dorthin und experimentieren mit allen verfügbaren Optionen des mechanischen Recyclings bis zu Rohstoffen aus dem chemischen Recycling. Bei der Gewinnung von Grundstoffen durch chemisches Recycling setzen wir in Pilotprojekten mit verschiedenen Partnern bereits ISCC plus-zertifizierte Kunststoffverpackungen ein und erhalten damit eine zuverlässige Rückverfolgbarkeit der recycelten Materialien. Auch hier gilt es, für neue Entwicklungen offen zu sein und dabei alle Möglichkeiten immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz auf etwaige Packstoffalternativen zu Virgin-Kunststoffen eingehen: Wir sehen diese durchaus kritisch. Wir beschäftigen uns seit Jahren mit der Substitution von fossilen Rohstoffen und untersuchen die unterschiedlichsten Ansätze alternativer Rohstoffe. Dabei finden wir derzeit keine Lösung, die eine annähernd gleiche Vielseitigkeit, Materialeffizienz und technische Performance in den Kreislaufsystemen bietet, wie das unserer Auffassung nach bei Polypropylen der Fall ist. Ersetzen wir PP durch Alternativen, benötigen wir für die gleiche technische Leistung ein deutliches Mehr an Ressourcen, beziehungsweise können die technische Spezifikation erst gar nicht erreichen. Gerade auch beim Einsatz alternativer Biomasse-Rohstoffe zeichnen sich schwerwiegende ökologische Nachteile ab: Die Folge landwirtschaftlicher Monokulturen und ihrer großflächigen Bewirtschaftung mit Pflanzenschutzmitteln ist eine zurückgehende Biodiversität. Der immense Verbrauch von Frischfasern für Verpackungen trägt zur globalen Waldzerstörung bei. All das motiviert uns, bei unseren Produkten auch weiterhin auf den Werkstoff PP zu setzen und zugleich die dringend erforderlichen Abfallinfrastrukturen und Verwertungskapazitäten zu forcieren. Dennoch arbeiten wir kontinuierlich daran, unsere Produkte zu verbessern – getreu dem alten Sprichwort „das Bessere ist des Guten Feind“. Wir lehnen alternative Rohstoffe auch nicht grundsätzlich ab. Aber uns ist wichtig, den Einsatz unserer Rohstoffe von der Förderung oder dem Anbau bis zum Recycling ganzheitlich und objektiv zu betrachten. Für eine nachhaltige Beschaffung von nachwachsenden Rohstoffen bedeutet das: Ihre Herkunft muss mittels Zertifizierung rückverfolgbar sein.
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Grau ist das neue Grün lautet einer Ihrer Slogans in Anspielung auf die veränderte Optik beim Einsatz von Recyclingmaterial. Ist das eher ein Problem in den Marketingabteilungen oder beim Konsumenten?
Vor 30 Jahren war es offenbar ein Problem. Damals haftete den grauen Verpackungen noch ein langweiliges Öko-Image an. Heute ist es genau anders herum: Die grauen Verpackungen stehen für die Circular Economy. Grau ist also das neue Grün! Wenn Rezyklat-Eimer flächendeckend in Verkaufsregalen landen, dann ist das ein klares Statement: So sehen kreislauffähige Verpackungen aus! Das muss natürlich kommunikativ begleitet werden: Grau ist kein Defizit, sondern ein klares Commitment. Wer Wert auf Nachhaltigkeit legt, kann die passende Verpackung dank der grauen Farbe leicht am Point of Sale identifizieren und so bewusst eine ökologisch motivierte Kaufentscheidung fällen. Das spricht auch wieder neue Kunden an. Allerdings reicht die graue Farbe allein fürs grüne Image nicht aus. Der PCR-Anteil einer nachhaltigen Verpackung muss auch nachweisbar sein. Mit Gütezeichen wie z. B. dem RAL-Gütezeichen »% Recycling-Kunststoff« wird ausgewiesen, wie viel Rezyklat die Verpackung enthält und woher es stammt. Im Übrigen lässt sich die technisch bedingte graue Grundfarbe der PCR-Eimer im In-Mould-Labeling-Verfahren bis auf den Rand außen genauso dekorieren wie zum Beispiel der Eimer aus weißem Virgin-Material.
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Design fürs Recycling ist wichtig für die Kreislaufführung. Haben Sie ein Beispiel für uns?
Erst ein nachhaltiges Design macht Verpackungen kreislauffähig. Das reicht vom Material bis zur vollständigen Restentleerbarkeit einer Verpackung. Für ein optimales Verwertungsergebnis setzen wir auf Materialhomogenität und verwenden nur Kunststoffe und Dekors, die zu 100 % technisch recyclingfähig sind. Unsere Verpackungen fertigen wir aus Polyolefinen, vor allem aus Polypropylen. Sie ergeben einen hervorragenden Packstoff und eignen sich bestens für die stoffliche Verwertung. Sie können aus Wertstoffsammlungen wieder für die Fertigung neuer Verpackungen in unseren Werken eingesetzt werden. Ideal für die Kreislaufwirtschaft!
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Welche Erwartungen haben Sie an die Politik beim Wandel der Kunststoffindustrie in eine Kreislaufwirtschaft? Und wo ist Ihre Industrie stärker gefordert?
Die Kreislaufwirtschaft ist ein globaler Megatrend. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit, politischen Entscheidungsträger und bei weiten Teilen der Industrie hat ein Umdenken eingesetzt. Und doch besteht angesichts rapide schwindender Ressourcen weiterhin großer Handlungsbedarf. Die europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft bietet ein politisches Rahmenkonzept und nimmt eine Vorreiterrolle ein. Doch wir müssen auch andere Länder auf der Welt mitnehmen, in denen der Fokus oft auf sozialen Problemen liegt. Dort fehlt meist nicht nur ein Abfallmanagement, sondern vor allem auch der politische Wille.
Jokey schließt sich seit Jahren mit weltweit agierenden Initiativen zusammen, um mit verantwortlichen Akteuren aus Industrie, Handel und Politik die Entwicklung von Sammelsystemen mit dem Ziel einer Circular Economy entschlossen voranzutreiben. Gesetzliche Regulierungen verfehlen ihre Lenkungswirkung, wenn sie nicht differenziert kommunikativ begleitet werden. Deshalb wünschen wir uns mehr Expertenaustausch – auch zwischen Politik und Wirtschaft. Wir sollten alle unser Wissen kontinuierlich an die Konsumenten weitergeben und dabei nicht den ganzheitlichen Blick auf das Thema verlieren. Die Politik läuft da mitunter Gefahr, falsche Signale auszusenden. Plastik ist eben nicht gleich Plastik. Und eine Gelbe Tonne allein schafft noch keine Kreislaufwirtschaft. Diese ist ohne verstärkten Einsatz von Rezyklaten nicht erreichbar. Unsere Vision ist es daher, die grauen Rezyklat-Verpackungen im Non-Food-Bereich schnellstmöglich zum Standard zu machen. Wir brauchen mehr Grau für mehr Grün!